Saturday, March 21, 2015

blockupy ~ scheiben klirren und ihr schreit, menschen sterben und ihr schweigt

ich habe gerade einen super, super beitrag über die blockupy proteste in frankfurt am 18.03.2015 anläßlich der neueröffnung der EZB gelesen ... so guter stoff muß natürlich weiterverbreitet werden und viele, viele aktivisten/innen und die bevölkerung erreichen :-)

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Gegen Gewalt – oder Gegengewalt? Solidarität mit dem militanten Widerstand gegen Kapitalismus & autoritäre Politik! #M18 #Frankfurt #Destroika
Veröffentlicht: 20. März 2015 in AnarchieEinfach soKommentar
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Hiermit erkläre ich mich solidarisch mit den Aktionen zivilen Ungehorsams sowie den militanten Aktionen gegen Staat und Kapital im Rahmen der antikapitalistischen Proteste in Frankfurt am Main vom 18. März 2015. Warum ich das wichtig finde, zeigen die folgenden fünf Stichpunkte:

Scheiben klirren und ihr schreit, Menschen sterben und ihr schweigt

Im gutbürgerlichen Deutschland ist rechts und links die Empörung groß: So genannte “Krawallmacher” haben es tatsächlich gewagt, nicht nur brav im Kreis zu laufen, sondern -haltet euch fest- Autos anzuzünden. Ja, richtig gehört, Autos! Schon höre ich die Rufe nach Knast oder Arbeitslager…es hätten ja schließlich eure Autos sein können! Aber ich kann alle beruhigen, es waren sieben Polizeiautos. Es blieben somit am 18. März in Frankfurt am Main nur noch geschätzt knapp 2000 weitere Polizeiautos übrig, um den deutschen Polizeistaat aufrechtzuerhalten. Jedenfalls merke ich, dass ich in Deutschland bin, wenn Autos mehr zählen als Menschenleben im europäischen sowie im globalen Süden.

Sofort wird sich seitens des staatstragenden und parteidurchsetzten Blockupy-Bündnisses von den Aktivist*innen distanziert und sich öffentlich entsolidarisiert, womit das Bündnis den letzten Rückhalt in der Bewegung verloren haben dürfte. Aber nicht nur Blockupy entsolidarisiert sich, auch die Aktivist*innen der ehemaligen Occupy-Bewegung entsolidarisieren sich. Schnell bemühen sich vormals revolutionäre Aktivist*innen, autoritäre Deutungsmuster zu übernehmen und Protestierende in “Gewaltbereite” und “Gewalfreie” zu unterteilen und erstere zu deligitimieren und abzuspalten. Unreflektiert wird hier Polizeijargon übernommen und aus einer privilegierten Position heraus eine Deutungshoheit über Protestformen beansprucht, welche nicht einmal theoretisch fundiert ist. Es wird sich lediglich von “jeglicher Gewalt” distanziert.

Es zeigt sich hier ein extrem begrenztes Verständnis des Gewaltbegriffs. Es gibt viele Formen der Gewalt: Psychische Gewalt, physische Gewalt, verbale Gewalt, strukturelle Gewalt, systemische Gewalt. Nicht alle sind gleichermaßen sichtbar, nicht alle sind gleich verteilt, nicht alle haben dieselben Ursachen und nicht alle stellen Probleme derselben Größenordnung dar. Durch die Reduzierung des Gewaltbegriffs auf physische Gewalt, in diesem Beispiel auch noch gegen leblose Dinge, wird – von einigen bewusst, von anderen eher unbewusst – ein großer Teil der alltäglichen Gewalt ausgeblendet. Die Gewalt, die wir meinen ist nämlich alltäglich und allgegenwärtig. Sie ist systemisch und sie ist strukturell. Fast.Forward formulieren es in ihrem Beitrag “Verhältnisse” sehr passend:

Gewalt in kapitalistischen Verhältnissen ist Alltag.
Gewalt in kapitalistischen Verhältnissen ist strukturell.
Gewalt in kapitalistischen Verhältnissen ist autoritär.
Kapitalistische Verhältnisse können nicht ohne Gewalt existieren.
Wir, die antiautoritären Gruppen, haben daher bewusst mit dem Spruch “Für ein Ende der Gewalt” mobilisiert, denn “wenn wir ein Ende der Gewalt fordern, fordern wir ein Ende dieser Verhältnisse” heißt es zum Schluss des oben verlinkten Textes. Militanter Widerstand gegen diese Verhältnisse ist daher nicht nur verständlich, sondern auch notwendig, denn von alleine schaffen sich die Verhältnisse nicht ab!

Der gerechte Zorn der Betroffenen!

Nicht nur die viel beschworenen deutschen Mittelstandskinder waren am morgendlichen Protest beteiligt, sondern viele eigens angereiste Aktivist*innen aus Italien, Griechenland, Spanien und anderen Ländern des europäischen Südens. Also Menschen, die direkt von der autoritären und illegitimen Politik der Troika aus IFW, EZB und EU sowie der deutschen Bundesregierung betroffen sind. Ihr Zorn ist begründet, da sie die autoritäre kapitalistische Gewalt, die ihnen aufgezwungen wurde tatgäglich erleben, erdulden und erleiden müssen. Millionen von Zwangsräumungen, Tausende Suizidtote, Hungertote, Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut, grassierende Obdachlosigkeit. Trotz alledem beanspruchen die bürgerlichen Medien, seien es rechte, mittige oder linke Blätter, das Recht, diesen Menschen ihre Wunsch-Protestformen aufzuzwingen. Sie sollen also friedlich verhungern und erfrieren, fordert der deutsche Bürger.

“A riot is the language of the unheard,” sagte einst Martin Luther King. “Ein Aufstand ist die Sprache der Ungehörten,” Und ungehört sind sie:Sie protestieren ja nicht erst seit gestern, sondern bereits seit Ausbruch der Krise gegen die zerstörerische, menschenfeindliche und ihnen von außen aufgezwunge Politik der Austerität, implementiert durch die Troika, und selbst gemäß ihrer eigenen kranken kapitalistischen Ideologie ökonomisch sinnfrei.

Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung

Ich stelle hier nun die Frage in den Raum, wie sich die Menschen den Wandel hin zu einer besseren Gesellschaft vorstellen. Eine Umwälzung der gewaltsamen kapitalistischen Verhältnisse ist von Nöten, wenn wir eine gute und gerechte Welt für alle Menschen und Tiere aufbauen wollen. Diese Umwälzung, diese Revolution, kann nicht ganz ohne Gewalt vonstattengehen. Weder kann das System abgewählt werden, da es so konstruiert ist, dass dies unmöglich ist, noch kann es durch friedliches im Kreis Laufen in bunten Klamotten verändert werden. Eine fundamentale Umwälzung, wie wir sie benötigen, wird entschlossenen Widerstand benötigen, ein kollektives Auflehnen, und sie wird viele Menschen ihre Macht, ihre Privilegien und ihre geraubtes Eigentum kosten. All dies werden sie nicht kampflos aufgeben, sie bezahlen zum Schutz desselben ein Heer aus Polizist*innen und Soldat*innen und dazu ein riesiges Arsenal an dazugehörigen Waffensystemen und Ausrüstungen. Selbiges Arsenal präsentiert die Staatsgewalt auch gerne und offen zu solchen Gelegenheiten.

Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, dass alle Rechte und Privilegien, die wir haben, erkämpft wurden, sollte die Bedeutung von sozialen Kämpfen offenkundig werden. Durch Arbeitskämpfe wurden Arbeiter*innen-Rechte erkämpft, durch soziale Kämpfe Grundrechte. Und durch die Kämpfe antiautoritäter Bewegungen entstehen libertäre Freiräume, gedeihen Utopien jenseits des Kapitalismus, wird Solidarität und gegenseitige Hilfestellung praktiziert. Die Hoffnung, die wir haben, eines Tages in einer gerechten und nachhaltigen Welt zu leben, ruhen einzig und allein auf dem Potential, sie uns erkämpfen zu können. Daher sind solche kollektiven Erfahrung von Subversivität, von Grenzüberschreitungen und Militanz wichtige Punkte auf dem Weg des kollektiven Widerstands gegen die Normalität kapitalistischer Herrschaft. Sie stärken die Bewegungen und zeigen, dass wir uns durch Repression, Einschüchterung, Kriminalisierung und Androhung von Gewalt nicht einschüchtern lassen, sondern dem mutig und entschlossen entgegentreten.

Zu Sinn und Zweck von Latschdemos

Die Parteilinken, die autoritär-kommunistischen Gruppen, das reformistische Lager und die Bürgerlichen, sie alle postulieren die wichtige Bedeutung “friedlichen Widerstands” durch angemeldete Großdemos mit Event-Charakter und linker Prominenz. Es findet eine Schuldumkehr statt, zu Lasten der militanten Aktivist*innen. Diese hätten die Debatte überschattet. Statt um Inhalte sei es nur um “die Gewalt” gegangen. Also nicht nur die Medien sind schuld an einer einseitigen, inhaltlosen Berichterstattung nach Schema F, sondern die Aktivist*innen, die den Medien quasi gar keine andere Wahl gelassen hätten. Wer sich die friedlichen Demos und Aktionen der vergangenen beiden Blockupy-Termine vor Augen führt, erkennt jedoch schnell, dass es auch dort nicht in einem Wort um irgendwelche Inhalte ging, seien sie noch so reformistisch und systemkonform vorgetragen und bunt präsentiert. Es wurde darüber berichtet, dass wir friedlich im Kreis gelaufen sind 2012, und dass wir zu Unrecht 10 Stunden im Kessel standen 2013, dass die ganze Polizeigewalt schlimm und das martialische Aufgebot unnötig war. Dennoch wurde dieses Jahr ein noch viel martialischeres Aufgebot aufgefahren. Aber eine Debatte ist nirgends in Sicht. Auf Twitter hieß es daher einen Tag danach auch passend:

Eine berechtigte Frage, auf welche wohl nie eine fundierte Antwort folgen wird. Es dürfte eher anders herum sein. Das System gibt klare und enge Regeln vor, wie systemkonformer Protest auszusehen hat. Wer sich an alle Regeln hält, ist ein guter Protestler, ein guter Demonstrations-Anmelder. Diese Regeln jedoch sind dergestalt, dass Protest zahnlos, harmlos und oft auch sinnlos wird, ja gar nicht mehr wirklich als Protest erkennbar ist. Wenn 20.000 Menschen zwei, drei Stunden lang eine abgesprochene Strecke ablaufen, in einer abgesperrten Stadt, umringt von Polizeispalieren, abgefilmt von hochauflösenden Polizeikameras und Drohnen, umstellt von Wasserwerfern, Räumpanzern und Polizeibullis, wird sich daraus keine subversive Bewegung etablieren können, wird das Kapital nicht einfach aufgeben, wird die Politik nicht beschliessen, das System zu ändern. Das soll nicht heißen, nur militanter Protest bringe etwas. Wenn es ohne Gewalt geht, ist das natürlich grundsätzlich vorzuziehen, denn das Ziel sollte immer bereits in den Mitteln anwesend sein. Auch reicht Protest schon lange nicht mehr aus. Die Zeit für Protest war vor einigen Jahren, als die Maßnahmen beschlossen wurde, die heute Millionen Menschen in Armut, Hunger und Tod treiben. Jetzt, wo die Menschen unter dem Joch ächzen und leidern, braucht es Widerstand. Entschlossenen Widerstand, um die unterträglichen Zustände zu beenden und die autoritäre Politik zu brechen. Und zu Widerstand gehört Subversivität, Kreativität, Grenzüberschreitung und Entschlossenheit.

Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand!

In den sozialen Medien findet nun eine Schuldumkehr statt. Schuld an der Polizeigewalt sind die Demonstrant*innen, nicht etwa die Polizei. Schuld an der schlechten Presse sind die militanten Gruppen, nicht die Presse. Schuld an der Inhaltlosigkeit ist der Krawall, nicht die eigene Verantwortung an dem Transport der Inhalte. Der Frust wird abgeladen auf die militanten Aktivist*innen. Das Netz ist voll von Polemisierungen und widerlichen Beschimpfungen. Reformistische Strömungen und autoritäre Kommunist*innen stimmen ein in den Chor der bürgerlichen Parteien, der rechten Kommentator*innen und der Stammtische. Ein paar Polizeiautos brannten und ein paar Fensterscheiben von Filialen der Großbanken gingen zu Bruch, und schon entlädt sich der wütende deutsche Mob geifernd voller Hass genüber der “Linksxtremisten”, “Chaoten”, “Spinner”, “Krawallmacher” und unzähliger weiterer Kampfbegriffe, entliehen aus dem rechten Spektrum. Am gleichen Tag wurde ein zukünftiges Heim für Geflüchtete angezündet, und keinen Menschen interessiert das, es wurde kaum berichtet und kaum geteilt. Spätestens hier entlarvt sich die Doppelmoral des deutschen Mobs.
Den Aktivist*innen wird zudem jegliche theoretische Einbettung ihres Widerstandes abgesprochen, sie seinen schlichtweg “dumm” oder “geil auf Krawall” oder nur nicht in der Lage, ihre Gefühle zu kontrollieren und “blind vor Wut”. Selbt in der eigenen Bewegung wird schnell von Agent Provocateur gesprochen. Zweifelsohne waren diese im Einsatz, dies ist mittlerweile eine Standard-Polizeitaktik, wenn auch eine verbotene. Auch passen einige Sachen an einigen Stellen nicht zusammen, es kam zu einigen untypischen Aktionen und Angriffen. (UPDATE: laut Mainstream-Presse Infos handelte es sich um Autonome Nationalisten). Ich empfehle sehr die hier verlinkte Pressemitteilung des Netzwerks M18 “Ein ‘Tag des Zorns’ in Frankfurt” zu lesen, in der auf diese Aktionen eingegangen wird.

An dieser Stelle sei eines noch einmal deutlich klar zu stellen: Gewalt ist ein Instrument, um Herrschaft zu etablieren. Wir lehnen Gewalt und Herrschaft strikt ab. Doch diese Gewalt wird uns tagtäglich entgegengebracht, diese Gewalt leben wir mit, diese Gewalt fordert Tote auf der ganzen Welt, jeden Tag, zu Tausenden. Und dieser Gewalt stellen wir uns entschlossen entgegen, mit allen notwendigen Mitteln. Unser Ziel ist ein Ende der Gewalt, ein Ende jeglicher Autorität, ein Ende jeglicher Herrschaft. Daher leisten wir militanten Widerstand und Gegenwehr! Daher formieren wir eine Gegengewalt, statt bloß plump gegen jegliche militanten Aktionen zu sein.

Der italienische Anarchist Errico Malatesta hat sich dazu viele Gedanken gemacht. Für ihn ist die alltägliche strukturelle Gewalt des Systems allgegenwärtig und muss mit allen Mitteln überwunden werden, um zu einer gewaltfreien und herrschaftsfreien Gesellschaft zu gelangen. Da diese Gewalt uns so oder so entgegengebracht wird, ist Gegenwehr mit den Mitteln der Gewalt für ihn Notwehr, so lange sie der Befreiung dient. Er schreibt hierzu folgende zwei wichtige Absätze, die dieses Spannungsverhältnis verdeutlichen:
Man könnte daher sagen, daß die spezifische Idee, die die Anarchisten kennzeichnet, die Abschaffung des Gendarmen ist, die Beseitigung der mittels roher – legaler oder illegaler – Gewalt aufgezwungenen Regeln als ein das gesellschaftliche Leben bestimmender Faktor.”
Dennoch ist für ihn Gewalt ein adäquates Mittel, um für die Befreiung zu kämpfen, denn:
Damit zwei in Frieden miteinander leben können, müssen beide den Frieden wollen; besteht nämlich einer der beiden darauf, den anderen mit Gewalt zwingen zu wollen, für ihn zu arbeiten und ihm zu dienen, dann wird dem anderen – trotz seiner Friedfertigkeit und seiner Bereitschaft zu gegenseitiger Übereinkunft – nichts übrig bleiben, als der Gewalt mit entsprechenden Mitteln Widerstand entgegenzusetzen, sofern er seine Menschenwürde behalten und nicht zu allerniedrigster Sklaverei verurteilt sein will.”
Nicht jede*r muss dies tun, eine jede und ein jeder sollten gerade so weit gehen, wie sie es für richtig halten, wie sie es körperlich und seelisch vermögen und wie sie sich vorbereitet haben. Die gewaltfreien und die militanten Aktionsformen können nebeneinander existieren, und sollten je nach Situation und Bedarf gewählt werden. Doch indem wir uns untereinander entsolidarisieren, uns spalten lassen oder uns selbst spalten, festigen wir das herrschende System und schaden dem Widerstand. Viele sind versucht, sich dem Medien-Echo zu entziehen, indem sie sich auf die andere Seite begeben.

Schließt euch nicht dem autoritären Mainstream an und drescht nicht auf die Gescholtenen auch noch ein, um wenigstens dabei gehört zu werden und wieder Anschluss zu finden. Auch wenn die Aktionsformen abgelehnt werden, sie sollten als Aktionsformen einer Bewegung mit einem Ziel verstanden werden. Wir sollten zusammen halten und vereint gegen die kapitalistische Normalität ankämpfen. Solidarisiert euch!

PS.: Ich selbst kam übrigens erst am Mittag in Frankfurt an, und es wäre als hätte alles was ich dort erlebt habe medial nicht stattgefunden. Ich befand mich im Block von Kommuja, dem Netzwerk der politischen Kommunen. Wir waren größtenteils aus den vier politischen Kommunen in Kassel angereist, dem Interkomm-Netzwerk, als welches wir folgenden tollen Aufruf veröffentlicht und verteilt haben: There is no alternative – Bildet Banden!

freiheit entsteht als kämpfende bewegung

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